Erbrecht
Rechtsanwalt Andreas Ohm
Häufige Fragen zum Erbrecht
Der Ausgleich hängt zunächst davon ab, ob die gesetzliche Erbfolge eingreift oder aber eine testamentarische Regelung existiert. Gemäß § 1371 I BGB erhöht sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten pauschal um ¼ und zwar unabhängig davon, ob rechnerisch überhaupt ein Zugewinnausgleich vorzunehmen wäre.
Wird dem überlebenden Ehegatten ein Erbteil oder ein Vermächtnis zugewandt, findet der konkret zu berechnende Zugewinnausgleich nur in dem Fall statt, dass der Ehegatte das Erbe oder zugewandte Vermächtnis ausschlägt (§ 1371 II BGB). Zusätzlich zum familienrechtlichen Zugewinnausgleich kann der Ehegatte den (kleinen) Pflichtteil fordern, der sich ohne die Erhöhung um ¼ berechnet.
Nimmt der Ehegatte den zugewandten Erbteil oder ein Vermächtnis an, der bzw. das hinter dem (großen) Pflichtteil zurückbleibt, kann er bis zu dieser Grenze nach § 2305 BGB einen Zusatzpflichtteil geltend machen.
Ist der konkret zu errechnende Zugewinnausgleich für den überlebenden Ehegatten erheblich, kann bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise die Ausschlagung der Erbschaft bzw. eines Vermächtnisses sinnvoll sein. § 1371 III BGB erlaubt ausnahmsweise die Geltendmachung des (kleinen) Pflichtteils trotz Ausschlagung. Dies kann zusammen eine höhere Beteiligung des überlebenden Ehegatten ergeben, der sich damit in gewisser Weise „taktisch“ verhalten kann. Sind Kinder vorhanden, muss der Anteil des Zugewinns des verstorbenen Ehegatten am Gesamtnachlass allerdings mindestens 85,71 % betragen, damit sich dieser Weg lohnt. Sind keine Abkömmlinge vorhanden, bringt die Annahme der Erbschaft in dieser Hinsicht immer größere Vorteile.
Gemäß § 1933 BGB hängt dies davon ab, ob der Erblasser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hat und die Voraussetzungen für die Scheidung zum Todeszeitpunkt gegeben waren. In diesem Fall entfallen das gesetzliche Erbrecht und damit praxisrelevant auch ein davon abhängiger Pflichtteilsanspruch. Für den Zeitraum bis zur rechtskräftigen Scheidung empfehlen sich in jedem Fall neue erbrechtliche Regelungen, mindestens eine neue testamentarische Verfügung und ggf. auch eine Trennungsvereinbarung mit wechselseitigem Pflichtteilsverzicht, sofern dazu Einvernehmen besteht.
Ein gemeinschaftliches Testament können nur Ehegatten bzw. eingetragene (gleichgeschlechtliche) Lebenspartner errichten. Für Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann bei Bedarf ein Erbvertrag geschlossen werden, falls eine entsprechende Bindung gewünscht ist. Anderenfalls kann in zwei aufeinander abgestimmten Einzeltestamenten eine sinnvolle Nachlassregelung erfolgen.
Kinder sind gesetzliche Erben der ersten Ordnung und besitzen dem Grunde nach auch stets einen Pflichteilsanspruch, sofern sie von der Erbfolge testamentarisch ausgeschlossen sind. Die seltenen Fälle der Erb- bzw. Pflichtteilsunwürdigkeit sollen hier nur erwähnt werden.
Der Pflichtteilsanspruch besteht aber nicht, wenn das Kind einen unbeschwerten Erbteil selbst ausschlägt, da hier gerade keine „taktische“ Ausschlagungsmöglichkeit wie für den Ehegatten des Erblassers existiert.
Der Güterstand wirkt sich auf die Höhe der Erbquoten aus, wobei regelmäßig der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft den überlebenden Ehegatten von der Erbquote her bevorzugt.
Der Gesetzgeber hat die Rechtsbeziehungen zwischen Ehegatten sowie zwischen Eltern und Kindern erheblich steuerlich begünstigt. Dies betrifft bei der Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer sowohl die Höhe von Freibeträgen und ggf. gänzlich steuerfrei gestellte Übertragungen (wie z.B. beim Familienheim oder dem familienrechtlichen Zugewinnausgleich) als auch den Steuersatz.
Es wäre im Einzelfall daher eine Überlegung und Prüfung wert, ob für nichteheliche Lebensgemeinschaften eine Eheschließung (ggf. auch mit Abschluss eines Ehevertrages) in Betracht kommt.
Anders als nach früherer Rechtslage für nichteheliche Kinder (im Bereich der alten Bundesrepublik) gibt es keinen rechtlich durchsetzbaren, also erzwingbaren vorzeitigen Erbausgleich. Dies gilt auch in dem Fall, dass keinerlei persönliche Kontakte zum Elternteil bestehen. Möglich sind aber prinzipiell frei verhandelbare notarielle Vereinbarungen zu Erb- und Pflichtteilsverzichten gegen Abfindungszahlung, womit durchaus eine ähnliches Ergebnis erzielt werden kann, den entsprechenden Regelungsbedarf auf Seiten des Elternteils vorausgesetzt.
Wird der überlebende Partner zum Alleinerben des Erblassers, schließt dies den Erwerb aller Haushaltsgegenstände mit ein. Davon ist die Frage zu trennen, ob der Wert des Hausrats unter Umständen für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen anderer Berechtigter zu berücksichtigen ist.
Im Falle der gesetzlichen Erbfolge besteht für Ehegatten und eingetragene Lebenspartner der sogenannte Voraus gemäß § 1932 BGB. Diesen Partnern wird angemessener Hausrat also vorab und ohne Ausgleichspflicht zugewiesen. Dies gilt aber nur bei gesetzlicher Erbfolge. Folglich ist der Hausrat (natürlich nur der Anteil des Erblassers daran) in anderen Fällen mit in den Nachlasswert zur Berechnung von Pflichtteilsansprüchen einzubeziehen.
Nach § 1586 b BGB geht die Unterhaltspflicht auf den Erben als Nachlassverbindlichkeit über. Sie ist allerdings begrenzt auf die Höhe eines fiktiven Pflichtteilsanspruchs des geschiedenen Ehegatten, als wäre die Ehe nicht geschieden worden. Sofern Kinder des Erblassers vorhanden sind, beträgt die Pflichtteilsquote für diese fiktive Berechnung unabhängig vom Güterstand stets 1/8.
Es kommt in der anwaltlichen Beratung häufig vor, dass ein Angehöriger eines/einer Verstorbenen durch letztwillige Verfügung (zumeist durch ein Testament) enterbt wurde. Hier stellt sich die Frage, ob diese nicht bedachte Person Anspruch auf den sogenannten Pflichtteil hat.
Die Antwort gibt das Gesetz in § 2303 BGB. Hiernach stehen Abkömmlingen, Eltern und dem Ehegatten Pflichtteilsansprüche zu, sofern sie „enterbt“ wurden. Eine solche Enterbung kann auch durch bloße Nichterwähnung einer pflichtteilsberechtigten Person zu erblicken sein. Den „Enterbten“ steht nach § 2303 Abs.1 S. 2 BGB dann die Hälfte des gedachten gesetzlichen Erbanteils als Pflichtteil zu.
Unter „Abkömmlingen“ versteht man zunächst die eigenen Kinder des Erblassers. Sollte eines der eigenen Kinder bereits vorverstorben sein, treten an diese Stelle die Abkömmlinge des vorverstorbenen Kindes.
Die gesetzliche Aufzählung ist abschließend, so dass anderen Verwandten, wie zum Beispiel Geschwistern, keine Pflichtteilsansprüche zustehen.
Der Anspruch auf den Pflichtteil eines Kindes wird oft als „nicht gerecht“ angesehen, insbesondere dann, wenn zwischen dem/der Verstorbenen und dem pflichtteilsberechtigtem Kind seit Jahren oder Jahrzehnten kein Kontakt (oder sogar Streit) bestand. Dennoch stehen diesen „unliebsamen Kindern“ nach ständiger, wenn auch kritisierter, Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts eine Mindestbeteiligung am Nachlass in Form des Pflichtteilsrechts zu.
Diese von vielen als ungerecht angesehene Folge lässt sich allenfalls zu Lebzeiten durch eine vernünftige Nachlassplanung oder lebzeitige Verfügungen abmindern, wobei gerade bei Schenkungen auf ggf. entstehende Pflichtteilsergänzungsansprüche zu achten sein wird.
Gerade dann, wenn Sie derartige Streitigkeiten nach Ihrem Ableben befürchten, sollten Sie sich anwaltlich beraten lassen.
Es kommt nicht selten vor, dass einen Mandanten/ einer Mandantin ein Schreiben zugeht, in dem mitgeteilt wird, dass ein naher Verwandter (zumeist ein Elternteil oder ein Bruder/eine Schwester) verstorben sei und der Mandant nun als gesetzlicher Erbe in Betracht käme.
Viele Mandanten berichten, zu dem/der Verstorbenen seit Jahren keinen Kontakt mehr gehabt haben. Sie überlegen daher, die Erbschaft auszuschlagen, auch um möglicherweise nicht nur Schulden zu erben.
Die Ausschlagung (aber auch die Annahme) einer Erbschaft ist in den §§ 1942 ff. BGB geregelt.
Wer mit dem Gedanken spielt, eine Erbschaft auszuschlagen, muss insbesondere auf Fristen und Formalien achten.
Die zu beachtende Ausschlagungsfrist ist in § 1944 BGB geregelt und beträgt 6 Wochen. Diese Frist beginnt mit Kenntnis vom Todesfall und von dem Grunde der Berufung (§ 1944 Abs. 2 BGB). Zu beachten ist, dass die Ausschlagungserklärung innerhalb dieser Frist beim zuständigen Nachlassgericht, also bei dem Amtsgericht, wo der Erblasser seinen letzten Wohnsitz hatte, eingegangen sein muss.
Nur dann, wenn der Erblasser oder der Erbe seinen letzten Wohnsitz im Ausland hatte, tritt an die Stelle der 6-Wochen-Frist eine 6-Monats-Frist (§1944 Abs. 3 BGB).
Die Ausschlagungserklärung selbst unterliegt der besonderen Form des § 1945 BGB. Hiernach kann eine Erbausschlagung nur zur Niederschrift des Nachlassgerichts oder in öffentlich beglaubigter Form (Notar!) erfolgen, § 1945 Abs.1 BGB. Gerade wenn der letzte Wohnsitz des Erblassers weit entfernt ist von dem des potentiellen Erben, kommt auch eine Protokollierung vor dem für den Erben zuständigen Amtsgericht in Betracht, damit dieses die Erklärung dem Nachlassgericht weiterleitet.
Die im Gesetz genannte 6-Wochen-Frist ist eine sogenannte Ausschlussfrist, so dass jedem, der eine Ausschlagung in Betracht zieht, anzuraten ist, sich frühzeitig um einen Beurkundungstermin zu kümmern.
Ganz wichtig: Man kann nach § 1943 BGB eine Erbschaft nicht mehr ausschlagen, wenn die Erbschaft bereits angenommen wurde. Eine solche Annahme der Erbschaft kann bereits durch ein sogenanntes „konkludentes Verhalten“ erfolgen. Wenn Sie also Handlungen vornehmen, die nur einem Erben zustehen (z.B. Nachlassgegenstände in Besitz nehmen, Geld vom Konto der/des Verstorbenen abholen usw.) kann hierin eine Annahme der Erbschaft zu erblicken sein, welche einer späteren Ausschlagung entgegensteht bzw. diese ins Leere laufen lässt.
Es kommt nicht selten vor, dass ein Mandant/eine Mandantin ein Schreiben einer örtlichen Ordnungsbehörde erhält, in welchem mitgeteilt wird, das ein naher Angehöriger verstorben sei und der Mandant/ die Mandantin nunmehr für die Beerdigung sorgen müsse.
Schwierig sind die Fälle, in denen die Mandantschaft zu dem Verstorbenen keinen Kontakt mehr hatte und/oder diesen gar nicht kannte und die Erbschaft bereits ausgeschlagen hat bzw. dies in der gesetzlichen Frist beabsichtigt.
Hierzu ist Folgendes anzumerken.
Nach § 1968 BGB trägt zwar der Erbe die Kosten der Beerdigung.
Von diesem zivilrechtlichen Grundsatz ist jedoch die Bestattungspflicht nach öffentlichem Recht zu unterscheiden. Jedes Bundesland verfügt über entsprechende Bestattungsgesetze, in denen geregelt ist, wer in welcher Reihenfolge zur Bestattung eines Verstorbenen verpflichtet ist. Diese Reihenfolge kann von Bundesland zu Bundesland abweichen.
Deshalb kann es sein, dass Sie trotz einer Ausschlagung der Erbschaft zur Bestattung bzw. zur Erstattung der angemessenen Kosten für eine Bestattung durch die örtliche Ordnungsbehörde verpflichtet sein könnten.
Inwieweit Sie später von dem einen oder anderen Verwandten Regress nehmen können, bedarf einer Prüfung im Einzelfall.
Wenn Sie als pflichtteilsberechtigte Person (§ 2303 BGB) durch letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen wurden, stellt sich häufig die Frage, wie Sie Ihren Pflichtteilsanspruch erfolgreich durchsetzen können.
Eine Enterbung erfolgt aus Sicht der Erblasserin/des Erblassers zumeist nicht ohne Grund. In aller Regel besteht zum „Enterbten“ kein Kontakt mehr oder man liegt im Streit.
Wenn Sie zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen gehören, sagt Ihnen zwar § 2303 Abs. 1 S. 2 BGB, dass Ihnen die Hälfte Ihres gesetzlichen Erbteils zusteht. Allein hierdurch Ist Ihnen jedoch nicht geholfen, da Ihnen nicht bekannt ist, wie hoch Ihr Pflichtteil tatsächlich ausfällt.
Daher gibt Ihnen § 2314 BGB einen Auskunftsanspruch gegen den/die testamentarischen Erben. Sie können also verlangen, dass Ihnen vollständig über den Bestand des Nachlasses Auskunft erteilt wird. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Auskunftserteilung ist der Todestag des/der Verstorbenen.
Mit der Auskunftserteilung müssen Ihnen sämtliche Vermögenswerte (sog. Aktiva), aber auch eventuell vorhandene Schulden einschließlich der Beerdigungskosten (sog. Passiva) mitgeteilt werden.
Besteht Streit hinsichtlich der Werte einzelner zum Nachlass gehörender Sachen (oft bei Grundstücken) steht Ihnen nach § 2314 Abs.1 S. 2 BGB ferner ein Anspruch zu, dass dieser (in der Regel durch ein Sachverständigengutachten) ermittelt wird. Bitte beachten Sie, dass Sie zum einen keine Mitsprachemöglichkeit bei der Auswahl des Sachverständigen haben und dass die Kosten des Sachverständigen zwar von dem Erben verauslagt werden müssen, allerdings bei den „Passiva“ Berücksichtigung finden.
Weiterhin ist darauf aufmerksam zu machen, dass etwaige Pflichtteilsansprüche der regelmäßigen Verjährungsfrist (3 Jahre) unterliegen. Diese Frist kann zum Beispiel durch gerichtliche Geltendmachung Ihrer Ansprüche gehemmt werden.
Hinsichtlich der Einzelheiten ist eine anwaltliche Beratung zu empfehlen.
Wir Menschen werden älter. Mit dieser Tendenz wächst auch der Bedarf, rechtzeitig Vorsorge zu treffen für den Fall, dass durch Krankheit und Alter die eigenen Angelegenheiten nicht mehr selbst erledigt werden können. Ein probates Mittel ist hierbei eine Vollmacht/Vorsorgevollmacht, in der eine Vertrauensperson zum „rechtlichen Vertreter“ berufen wird.
Tritt der Vorsorgefall dann ein, entbrennt zwischen den Angehörigen nicht selten Streit darüber, ob die seinerzeit erteilte Vollmacht wegen bereits bestehender Geschäftsunfähigkeit im Zeitpunkt der Errichtung der Vollmacht unwirksam ist. In manchen Fällen wird auch das Betreuungsgericht eingeschaltet, mit dem Ziel, dass das Gericht für die betroffene Person einen Betreuer bestellt und somit die ungeliebte Vollmacht „aushebelt“.
Der BGH hat kürzlich in einer Entscheidung vom 29.07.2020 (Aktenzeichen: XII ZB 106/20) seine bisherige Rechtsprechung fortgeführt.
So haben die Richter unter Hinweis auf § 1896 Abs.2 S.1 BGB entschieden, dass eine Betreuerbestellung überhaupt nur dann in Betracht kommt, wenn diese erforderlich ist. An dieser Erforderlichkeit fehlt es, wenn die Angelegenheiten durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer erledigt werden können, § 1896 Abs.2 S.2 BGB. Der BGH hält somit an dem Grundsatz fest, dass eine erteilte Vollmacht eine gerichtlich angeordnete Betreuung ausschließt.
Weitaus bedeutender für die Rechtspraxis ist jedoch eine zweite Aussage des BGH. Hiernach bleibt eine einmal erteilte Vollmacht wirksam, wenn nicht die Unwirksamkeit, etwa wegen fehlender Geschäftsfähigkeit, positiv festgestellt werden kann.
Im Ergebnis stärkt der BGH damit weiterhin die Bedeutung einer einmal erteilten Vollmacht und somit die Privatautonomie der Vollmachtgeber.